Zeit: 2006
Ort: Halle an der Saale
Projektleitung: Isabella Bordoni
Cultura21-Beteiligung: Partnerschaft
Projektwebsite: www.ib-arts.org
Am 22. September wurde die Installation und Performance „Fraternité Hidden Voices“ von Isabella Bordoni in Halle an der Saale vorgestellt. Zentraler Bestandteil des Kunstprojektes sind Beiträge von Migranten – und ein Gedicht von Ingeborg Bachmann.
von Sabine Breitsameter, Kuratorin
Isabella Bordoni
Bordonis Arbeiten setzen Poesie, Klang, Bildende Kunst und Architektur in Beziehung zu Bühne und Raum. Sie zielen darauf ab, in der Kunst eine temporäre Gemeinschaft von Ideen über die konventionellen Genregrenzen hinweg zu schaffen. Seit Jahrzehnten realisiert Isabella Bordoni Projekte zu imaginierten Stadträumen, poetischen Landschaften, öffentlichen Gebäuden und zur Thematik Migration, dies sowohl in deren geographischen und digitalen als auch mentalen und künstlerischen Erscheinungen. Seit zwei Jahren beschäftigt sie sich eingehend mit dem Werk von Ingeborg Bachmann.
Die Installation
Beim Betreten der Installation „Fraternité Hidden Voices“ erblickt man einen transparenten Schleier. Auf diesen sind Zeilen aus Ingeborg Bachmanns Gedicht „Rede und Nachrede“ projiziert sowie mehrere räumliche und mediale Ebenen visueller Darstellung: Die Fenster werfen überlebensgroße Diaportraits Unbekannter in den Raum zurück, eine Videoleinwand bildet eine weitere Querachse im Raum. Das Visuelle umschließt die akustischen Räume und verweist darin auf eine Öffentlichkeit, in der Individuelles sichtbar, aber gleichbedeutend damit nicht öffentlich dechiffrierbar sein muss. In diesen öffentlichen-poetischen Raum (Bordoni nennt ihn „hybrid/public-poetic space“) werden mittels eines besonders empfindlichen Mikrofons, einem mikroskopischen Blick ähnelnd, leise Geräusche von außerhalb in den Innenraum übertragen und verweben sich mit einer Vielzahl von Klängen und den Stimmen von Ingeborg Bachmann und Isabella Bordoni.
„Wort, sei von uns“
In Fensternähe kann der Besucher über Kopfhörer auch in die zweite akustische Ebene, den privaten Raum („intimate space“) von „Fraternité Hidden Voices“ eintauchen. Stimmen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters und Geschlechts erzählen Geschichten aus ihrem Leben und mischen sich mit den Klängen des Raumes. Beim Besucher der Installation, beim Hörer, entstehen auf diese Weise Beziehungen zwischen den beiden auditiven Räumen. Individuelle Lebenserfahrungen vermischen sich mit dem öffentlich-poetischen Raum, mit den kleinen auditiven Splittern der halleschen Gegenwart, sowie mit der akustisch-poetischen Vergegenwärtigung von Ingeborg Bachmanns Erfahrung. Diese kommt der Veräußerung einer individuellen Erfahrung gleich: im Moment, in welchem der öffentliche Raum durch eine totalitäre Macht übernommen wird, die bis in die privaten Verhältnisse des Einzelnen dringt, verliert sich die Individualität der Lebens-, der Sprechperspektive in der Veröffentlichung. Im Zentrum dieser Arbeit und im Raum steht, sichtbar und in den eigenen Worten Bachmanns zu hören, jener Vierzeiler aus „Rede und Nachrede“:
Wort, sei von uns, / freisinnig, deutlich, schön. Gewiß muß es ein Ende nehmen, / sich vorzusehen. Parola, sii nostra, / libera, chiara, bella. Certo, dovrà avere fine / ogni cautela.Kontakt
Isabella Bordoni
Progetto per le Arti
Via Santa Aquilina, 23/A
47900 Rimini (Italia)
Mail: isabella.bordoni (at) tin.it
www.ib-arts.org